Ich habe in Interviews und Gesprächen wieder und wieder betont, dass Videospiele sowohl ästhetisch als auch narrativ entscheidend für die Entwicklung meines Stils waren. Als Millenials waren wir womöglich die erste Generation, für die Spiele die wichtigste Sparte medialer Erziehung darstellten, und mittlerweile sind sie auch globaler Ebene dazu geworden. Meiner Ansicht nach spiegelt sich das in der Literatur (noch) kaum wieder, was auch darum schade ist, weil so viele Vorstöße künstlerischer Innovation sich in Videospielen ereignen.
Vor einiger Zeit (eher langer, um ehrlich zu sein) kursierte die Challenge auf social media, neun der Spiele in einem Grid anzuordnen, die für die eigene Entwicklung am wichtigsten waren. Better late to the party than never.
1 – Super Mario Land: Wir schreiben das Jahr 1994 und ich hatte einen günstigen Moment abgepasst, in dem ich mit meinem Vater allein im Karstadt Freiburg war, um ihm einzureden, ich bräuchte dringend einen grünen Gameboy mit Super Mario Land. Und voila: Diese Monster! Die 8-bit-Musik! Die Endgegner aus fernen Ländern! Ich war zu einem lebenslangen Nintendofan mutiert.
2 – Pokemon Blau: Die wichtigsten Momente im Leben eines 8-jährigen Videospielfans sind diese: Ein Spiel zu entdecken, das nonlinear ist, und einen endlosen Entdeckungsdrang nach dem Geheimnisumwitterten weckt erstens, zu verstehen, dass man gemeinsam mit anderen spielen kann zweitens. Pokemon blau löste beides in mir aus – die Möglichkeit, Pokemon zu fangen und zu tauschen war einfach le – gen – där gut.
3 – Legend of Zelda: Majoras Mask: Würde ich in dieser Challenge ehrlich sein, wäre alles voll von Zeldaspielen. Ich bin ein die-hard-Zeldafan mit einem Triforcetattoo und Ocarina of Time hat (auf vielfache Art, auf die ich ein anderes Mal eingehe) mein Leben nachhaltig verändert. Majoras Mask aus dem Jahr 2000 ist mein Lieblingsspiel für alle Zeit. Es ist obskur wie ein Bernhardstück, hat ein Beckett-Ensemble, gruselig wie Poe und traumartig wie Kubin. Kein Buch hat meine Ästhetik so nachhaltig geprägt wie dieses Spiel.
4 – Banjo Kazooie: Vor Kurzem habe ich auf der Virtual Console auf der Switch diesen Klassiker noch einmal durchgespielt, den mir etwa 2001 jemand geschenkt haben muss. Die Nostalgie hat mich nicht verblendet: Es ist wie alle Rare-Spiele ein Meisterwerk absurdistischer Kunst und unfassbar gut gealtert.
5 – Eternal Darkness: Viel zu unbekannt ist dieses Gamecube-Spiel, das auf den Kurzgeschichten von Lovecraft beruht, und die Spielerin in 12 Kapiteln durch 12 verschiedene Zeitebenen von der römischen Antike über das alte Persien bis in den ersten Weltkrieg führt. Familie Roivas, die auf Rhode Island ein Haus besitzt, muss einen Fluch von ihrer Villa abwenden und reist dafür die Geschichte ihrer Familie. Revolutionär an dem Spiel ist das sogenannte Sanity-Meter, das die geistige Gesundheit repräsentiert. Fällt dieses zu sehr, erscheinen den Spielern Visionen, etwa dass ihr Spielstand gelöscht wurde.
6 – Fire Emblem: Etwa 2014, also eher spät, kippte ich in dieses in Europa viel zu unbekannte Franchise. Es ist ein strategisches Rollenspiel auf Rundenbasis und ich scheue mich nicht zu sagen, dass es wahrscheinlich die solideste Spielereihe ist, die momentan existiert.
7 – Stardew Valley: Niemals hätte ich gedacht, dass ein Spiel, in dem auf der Oberflächenebene rein gar nichts passiert, mich so packen würde. Mit Hingabe bepflanze ich in diesem Landwirtschaftssimulator jedes Feld, wässere meine Bohnen und akzeptiere rückhaltlos, dass man hunderte Stunden investiert, um seine Farm auch nur halb fertigzustellen. Ich erwähne es hier vor allem deswegen, weil beeindruckenderweise eine einzige Person dieses ultrapopuläre Spiel programmiert hat. Eric Barone entwickelte die Charaktere, schrieb die Story, komponierte die Musik und zeigt damit, was ein einziger Mensch erreichen kann.
8 – Dance Dance Revolution: Meine Liebe für Rhythmusspiele muss in einem Eintrag seinen Niederschlag finden, und dass ich mit meinen Freunden aus dem Internet zwischen 2003 und 2010 die Nächte auf diesen Matten durchtanzt habe, ist eine der schönsten, sinnlosesten Erfahrungen, die ich im Leben machen durfte.
9 – The Return of the Obra Dinn: Zuletzt eine kurze Hommage an die Indie-Games, die ich seit vergangenem Jahr in Massen mit meiner Freundin konsumiere. Return of the Obra Dinn ist ein Mystery-Spiel im 1-Bit-Stil, das alles vereint, was ich liebe: Schiffe, Rätsel, tolle Musik und eine einzigartige Ästhetik.